Mission zu den Eismonden

Im April bricht die Raumsonde JUICE zum Jupiter auf. Dort hält sie unter anderem nach Hinweisen von Leben Ausschau. 

Der Eismond Europa ist eines der Ziele der JUICE Mission. Unter seinem dicken Eispanzer könnte es Leben geben.
Der Eismond Europa ist eines der Ziele der JUICE Mission. Unter seinem dicken Eispanzer könnte es Leben geben.

 

Am 13. April startet die Raumsonde JUICE (Jupiter Icy Moons Explorer) vom Weltraumbahnhof Kourou in Französisch-Guayana. Die Sonde ist vollbepackt mit Kameras, Spektrometern und Strahlungsmessgeräten. Insgesamt sind es über zehn wissenschaftliche Instrumente. Mit dabei ist auch ein Massenspektrometer der Universität Bern. Mit ihm soll unter anderem nach Hinweisen von Leben gesucht werden.

 

Wie es der Name der Sonde vermuten lässt, geht es zum Jupiter und seinen drei grossen Eismonden Ganymed, Kallisto und Europa. Es ist eine der interessantesten Gegenden in unserem Sonnensystem. Das liegt daran, dass die Eismonde einen Blick in die Vergangenheit ermöglichen, erklärt Peter Wurz, Direktor des Physikalischen Instituts an der Universität Bern und wissenschaftlicher Leiter des Massenspektrometers. «An ihrer Oberfläche beträgt die Temperatur minus hundertfünfzig Grad Celsius. Bei dieser Kälte wird alles konserviert. Die meisten chemischen Prozesse stehen still. Das heisst, wir finden dort immer noch das ursprüngliche Material, aus dem Jupiter und seine Monde aber auch der Rest des Sonnensystems entstanden sind.»

 

Die Monde faszinieren noch aus einem anderen Grund: «Europa ist einer der Hotspots für Leben im Sonnensystem», sagt Wurz. Auf den ersten Blick scheint das wenig einleuchtend, denn er ist rundum mit einem zwanzig Kilometer dicken Eispanzer bedeckt. Darunter jedoch folgt ein hundert Kilometer tiefer Ozean, der vermutlich aus Salzwasser besteht. Das ist doppelt so viel flüssiges Wasser, wie es auf der Erde gibt. Der Grund dieses Ozeans ist mit Felsen bedeckt. «Wenn Wasser mit Gestein in Kontakt kommt, gibt es chemische Wechselwirkungen. Diese setzen Nährstoffe für potenzielles Leben frei», sagt Wurz.

 

Die Oberfläche des Eises auf Europa ist von orangen Linien durchzogen. Handelt es sich bei der Farbe um ein rein geologisches Phänomen oder ist hier Leben im Spiel?
Die Oberfläche des Eises auf Europa ist von orangen Linien durchzogen. Handelt es sich bei der Farbe um ein rein geologisches Phänomen oder ist hier Leben im Spiel?

Ebenso förderlich für Leben ist die Tatsache, dass Europa geologisch aktiv ist. Sein Kern ist heiss. Am Meeresgrund könnte es darum hydrothermale Quellen geben, so genannte Schwarze Raucher. Sie spucken mehrere Hundert Grad heisses Wasser vollbeladen mit Mineralstoffen aus. Zumindest auf der Erde haben sich an solchen Rauchern selbst in Tausenden Metern Tiefe und bei völliger Dunkelheit ganze Ökosysteme entwickelt. Warum also nicht auch auf Europa?

 

Bei all den Verheissungen wird JUICE jedoch nicht auf den Monden landen, sondern sich mit Fernmessungen begnügen. Für den Moment ist das ausreichend. Denn durch Spalten im Eis wird Wasser aus den Ozeanen samt den darin gelösten chemischen Verbindungen in den Weltraum geblasen. So bildet sich um die Monde eine dünne Atmosphäre, die den chemischen Fingerabdruck aus ihrem Innern enthält.

Durch Spalten im Eis wird Wasser aus dem Ozean Hunderte von Kilometer hoch in den Weltraum geschleudert. (Künstlerische Darstellung)
Durch Spalten im Eis wird Wasser aus dem Ozean Hunderte von Kilometer hoch in den Weltraum geschleudert. (Künstlerische Darstellung)

Hier kommt das Massenspektrometer «made in Bern» zum Einsatz. Durch den Fahrtwind werden die Verbindungen ins Spektrometer hineingedrückt. Anschliessend sortiert es die Moleküle nach ihrer Masse. «Mit diesen Daten können wir auf die chemischen Verbindungen zurückschliessen», erklärt Astrophysiker Andreas Riedo, der als Projektmanager im Team des Massenspektrometers mitwirkt.

 

Schön wäre, man würde Aminosäuren oder Lipide finden. Beides sind wichtige Bausteine des Lebens – zumindest auf der Erde. «Sie wären ein sehr starkes Indiz für die Präsenz von Leben», sagt Riedo.

Damit das alles technisch überhaupt funktioniert, musste das Instrument für die Extrembedingungen des Weltraums fit gemacht werden. «Die Kälte ist ein grosses Problem. Bei minus hundertfünfzig Grad geht nichts mehr. Darum sind alle Instrumente mit kleinen Heizmatten eingepackt», sagt Riedo. Diese sorgen für die nötige Betriebstemperatur. Die weitaus grösste Knacknuss stellt jedoch der Jupiter dar. Er besitzt ein sehr starkes Magnetfeld, das wie ein gigantischer Teilchenbeschleuniger wirkt und Unmengen an Strahlung freisetzt. «Die Strahlung um den Jupiter ist etwa so hoch wie in einem Kernkraftwerk. Herkömmliche Elektronikbauteile halten das ein paar Stunden aus, dann sind sie kaputt», sagt Wurz.

 


«Ausserhalb der Erde Leben zu finden ist vergleichbar mit der Entdeckung Amerikas.»


 

Darum sind die Elektronik-Komponenten mit Schutzblechen aus Wolfram eingekleidet. Sie halten zwar die Strahlung ab, sind dafür aber sehr schwer. Das ist mit ein Grund, warum die ganze Sonde stattliche fünf Tonnen wiegt. Das wiederum wirkt sich auf die Reisezeit aus.

 

Die Ariane 5 Rakete, auf der JUICE nun montiert ist, hat gerade genug Kraft, sie in den Weltraum zu schiessen. «Allerdings ist die Rakete zu schwach, um die Sonde auf direktem Weg zum Jupiter zu schicken», sagt der Planetologe Olivier Witasse von der Europäischen Weltraumorganisation ESA. «Um die nötige Geschwindigkeit für die lange Reise aufzubauen, vollführen wir eine Serie von Slingshots.» Dabei geht die Sonde auf eine kleine Odyssee: Zuerst holt sie sich einen Kick bei der Venus und dann geht es drei Mal um die Sonne, wobei sie jedes Mal nahe an der Erde vorbeifliegt, um sich von ihrer Gravitation beschleunigen zu lassen. 

 

Nach viereinhalb Jahren ist sie schliesslich vierzig Mal schneller als eine Gewehrkugel und nun bereit, die eigentliche Reise zum Jupiter anzutreten. Doch auch mit ihrer atemberaubenden Geschwindigkeit dauert es immer noch dreieinhalb Jahre, bis sie beim Gasriesen ankommt. Dort muss JUICE dann voll auf die Bremsen stehen. «Das Haupttriebwerk läuft 35 Minuten auf Vollschub, bevor wir langsam genug sind, um in die Umlaufbahn von Jupiter einzuschwenken», sagt Witasse.

 

Lohnt sich denn der ganze Aufwand wegen ein paar Lipiden? Oh ja, sagt Riedo. «Alle Raumfahrtnationen wollen in dieser Sache die ersten sein. Ausserhalb der Erde Leben zu finden ist vergleichbar mit der Entdeckung Amerikas. Das hätte einen enormen Einfluss auf unsere Gesellschaft und unser Weltbild.»

Das steht das mit Gold überzogene Massenspektrometer der Universität Bern noch im Reinraum und wird getestet. Das Gold schützt das Instrument unter anderem vor Korrosion auf der langen Reise.
Das steht das mit Gold überzogene Massenspektrometer der Universität Bern noch im Reinraum und wird getestet. Das Gold schützt das Instrument unter anderem vor Korrosion auf der langen Reise.

 Erschienen in der NZZ am Sonntag. 

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